Integrative Gewaltberatung und Gewaltpädagogik

Unsere Beratungsarbeit zielt vorrangig auf gewalthandelnde Menschen im sogenannten „Dunkelfeld“, also auf Täter_innen, die nicht amtlich erfasst sind. Natürlich beraten wir auch Menschen aus dem sog. „Hellfeld“, wenn bestimmte Rahmenbedingungen erfüllt sind. Entgegen der so oft verbreiteten wie unbewiesenen Behauptung, dass gewalthandelnde Menschen nicht „von sich aus“, also aus eigenem Antrieb Beratung aufsuchen, wissen wir, dass sie genau das tun. In vielen Städten Deutschlands, Österreichs und der Schweiz gibt es mittlerweile niedrigschwellige Beratungsangebote, zu denen Klient_innen die Kontaktaufnahme leichtfällt. Hierfür gibt es eine wichtige Voraussetzung: Es muss ein passendes Angebot für Gewalthandelnde geben. Das Beratungsangebot darf die gewalthandelnden Menschen weder pathologisieren noch darf die Beratung Tel eines absoluten Kontrollapparates sein, der die Menschen ihrer Verantwortung beraubt und sie in ihren Entwicklungsmöglichkeiten und Wachstums-chancen einengt.

Was ist Integrative Gewaltberatung und Gewaltpädagogik?

In Zusammenarbeit mit Burkhard Oelemann haben wir die „Gewaltberatung nach dem Hamburger Modell GHM®„, die von ihm und Joachim Lempert begründet wurde, modifiziert und weiterentwickelt – entstanden ist die „Integrative Gewaltberatung und Gewaltpädagogik“.

Die Integrative Gewaltberatung erfasst den gewalthandelnden Menschen in seiner Gesamtheit, d.h. nicht nur mit seinen problematischen Anteilen, sondern auch mit seinen Ressourcen und Potentialen. Den Menschen in seiner Gesamtheit zu erfassen, heißt auch, dass gender- und kulturbedingte Aspekte unbedingt Beachtung finden müssen. Integrative Gewaltberatung heißt daher ebenso, gender- und kultursensibel zu beraten. Wir wollen eine geschlechtsspezifische Beratung ermöglichen, nach Möglichkeit sollen Frauen Frauen und Männer Männer beraten.

Das gewalttätige Handeln und der gewalthandelnde Mensch, wahrgenommen als die Person, die er gegenwärtig ist, sind zunächst Basis und Zentrum der Beratung. Die Unterstützung und Förderung des gewaltfreien Verhaltens stellt für diesen Menschen jedoch nur einen Teil eines umfänglichen Veränderungs- und Wachstumsprozesses dar. Die Täter_innen und das Gewaltphänomen werden in ihrer Vielschichtigkeit und Verbundenheit betrachtet; der gewalthandelnde Mensch wird dabei als in Beziehung stehend mit seiner Umwelt begriffen. Für sein gewalttätiges Handeln wird er unmissverständlich in die Verantwortung genommen. Er/sie selbst, soll seine/ihre Verantwortung erkennen und übernehmen und sich unmissverständlich gegen sein Gewalt-handeln entscheiden.

Zu Beginn des Beratungsprozesses hält der Täter bzw. die Täterin u.U. an Ein- und Vorstellungen fest, die einem Entwicklungs- und Wachstumsprozess entgegenstehen. Ambivalenzen, Bewertungen, Vorurteile, Wirklichkeitskonstruktionen, innere und äußere Konflikte erschweren dem gewalthandelnden Menschen den Zugang zu sich selbst und ein Einlassen in einen Veränderungsprozess. Der Berater/ die Beraterin fokussiert den Menschen, seine Tat und sein (Tat)Erleben; er/sie erkennt und versteht, ohne mit der Tat einverstanden zu sein und ermöglicht dem Täter bzw. der Täterin das „In-Kontakt-kom-men“ mit seinen/ihren Gefühlen, Wünschen, Bedürfnissen und Motiven. Täter und Täterin lernen die Aspekte wahrzunehmen, zu erkennen und zu betrachten, die bisher in ihrem (Er)Leben keinen Raum gefunden haben, sondern unter der Oberfläche überwiegend destruktiv wirkten. Angst, Scham, Ekel, Trauer, Hass und Wut (und/oder), Zustände der Hilflosigkeit und Ohnmacht behindern vorerst ein stimmiges Selbst(wert)-gefühl. Die Ablehnung von Schwächen, Selbstabwertungen und die vermeintliche Verwirklichung von Perfektionierungsansprüchen wirken der persönlichen Entwicklung und dem individuellen Wachstum entgegen. Dieses Aspekte müssen konstruktiv und sinngebend in das Gesamtgefüge integriert werden.  Ziel ist, das Selbstverstehen sowie ein positives Selbstgefühl zu ermöglichen.

Die Integrative Gewaltberatung fördert die Kontakt-, Kommunikations- und Beziehungsfähigkeit, die Selbst- und Fremdwahrnehmung, Empathie, Selbstbewusstsein, Selbstwirksamkeit und innere Stärke sowie die Kompetenz, Verantwortung zu übernehmen und Grenzen zu erkennen und diese zu respektieren. Achtsamkeit und (Selbst)Fürsorge werden als wichtige Grundlagen für das Selbst begriffen und integriert.