Gewalt ist kein Problem von Kindern und Jugendlichen, Männern und Frauen allgemein, sondern hat eine klare Geschlechtstypik.
Ca. 85% aller in der Statistik wahrgenommenen Gewaltdelikte („Hellfeld“) weltweit werden von Jungen und heranwachsenden Männern ausgeübt. Dieses Verhalten – und seine Wahrnehmung durch die Gesellschaft – korreliert im starken Maße mit dem Männlichkeitsbild der Täter und der Wahrnehmung durch Männer und Frauen vor dem Hintergrund ihrer geschlechtstypischen Sozialisation.
Werden Mädchen und Frauen gewalttätig, so sind diese Taten ebenfalls vor dem Hintergrund der geschlechtstypischen Wahrnehmung und den geschlechtstypischen Sozialisationsbedingungen zu betrachten. Dies führt reaktiv u.a. auch zu Bagatellisierungen der von Frauen und Mädchen begangenen Taten.
Bei der häuslichen Gewalt gibt es ebenfalls Geschlechtsunterschiede auf der Täter:innenseite: während im Hellfeld von ca. 85% Tätern auszugehen ist, belegen Dunkelfeldforschungen einen annähernd gleichhohen Anteil von Täterinnen. Täter und Täterinnen häuslicher Gewalt unterscheiden sich jedoch in Form und Qualität – hier ist ein sehr differenzierter Blick unbedingt notwendig!
Doch führt die prozentuale Verteilung der (wahrgenommenen) Gewalthandlungen häufig in der öffentlichen Diskussion zu einer wenig hilfreichen Themenverschiebung. Die Verteilung der Gewalttätigkeit unter den Geschlechtern ist unter wissenschaftlichen Aspekten betrachtet sicher ein hochinteressantes Forschungsunterfangen, in unserer Arbeit der Integrativen Gewaltberatung und Gewaltpädagogik kommt es uns einzig darauf an, weitere Gewalt zu verhindern und Tätern wie Täterinnen gleichermaßen ein adäquates Beratungsangebot zu unterbreiten.
Sicher ist: Gewalt ist in jedem Fall zerstörerisch – gleichgültig, ob sie von einem Mann oder einer Frau, einem Mädchen oder Jungen ausgeübt wird. In der gender- und kultursensiblen Integrativen Gewaltberatung und Gewaltpädagogik ist es wesentlich, die geschlechtstypischen Hintergründe zu kennen, vor der Gewalttaten verübt werden, um die Bagatellisierungs- und Neutralisierungsstrategien auf der Täter- und Täterinnenseite entlarven zu können. Nur so können Frauen und Männer, Jungen und Mädchen sowohl konfrontativ als auch therapeutisch-begleitend erreicht und zu einem gewaltfreien Verhalten ermutigt werden. Ohne diese Kenntnis wird man(n) oder frau durch geschlechtstypische Verzerrungen in der eigenen Wahrnehmung am Klientel vorbei agieren, anstelle die Klient_innen therapeutisch zu erreichen.